Wieso eine kantonale Initiative? Was bringt das überhaupt? Und wie viel kostet das? Die Schwyzer Klimainitiative bringt viele Fragen mit sich. Die nachfolgenden FAQs sollen helfen, die wichtigsten davon zu klären.
Warum eine kantonale Initiative? Der Kanton Schwyz kann doch alleine nichts ausrichten?
Der Bund hat CO2-Freiheit bis 2050 geplant, dh. es gibt so oder so zahlreiche Gesetzesanpassungen, die vom Kanton umgesetzt werden müssen und auch vorweggenommen werden können.
Warum 2040, wenn der Bund auf 2050 plant?
Die Temperatur in der Zentralschweiz hat sich seit 1864 bereits um 1,9 °C erhöht. Die Folgen sind erkennbar und treten in immer kürzeren Abständen auf: trockene Sommer, heftige Niederschläge, mehr Hitzetage und schneearme Winter richten grosse Schäden an Natur und Volkswirtschaft an. Bei weltweit weiterhin steigendem Treibhausgasausstoss wird die Temperatur bis 2060 um weitere ca. 2,6 °C gegenüber der Periode 1981-2010 ansteigen, was logischerweise auch verstärkte Folgen auch im Kanton Schwyz haben wird. Folgende Bereiche sind betroffen: Wasserwirtschaft, Naturgefahren, Raumentwicklung, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Biodiversitätsmanagement, Energie, Tourismus, Gesundheit. Deshalb sollen im Kanton die CO2-Emissionen so rasch wie möglich auf Netto-Null-Emissionen gesenkt werden – das heisst für uns 2040! Weil dies für unseren überschaubaren und wohlhabenden Kanton Schwyz möglich ist und Sinn macht.
Wie erreicht man netto-null Emissionen im Kanton Schwyz und weltweit?
Niemand kann die Zukunft vorhersehen, aber es gibt einige konkrete Szenarien, wie eine klimaverträgliche Zukunft erreicht werden und wie sie aussehen kann:
Einen detaillierten politischen Massnahmenplan für die Schweiz hat die Klima-Allianz 2016 mit ihrem Masterplan vorgelegt
Auf den Energiesektor fokussieren Modellrechnungen des Computerwissenschafters Anton Gunzinger http://kraftwerkschweiz.ch/app/main?model0=StatusQuo&model1=NeueEnergiePolitik&model2=Gunzinger Die Gesellschaft radikaler neu zu denken, wagt Rob Hopkins mit seinen Transition Towns: https://transitionnetwork.org/ sowie ähnlich für die Schweiz P.M. mit Neustart Schweiz: https://neustart-schweiz.ch/nach-hause-kommen/ eine umfangreiche Sammlung klimaverträglicher Techniken in allen Bereichen bietet «Drawndown» https://drawdown.org/; als Buch in Deutsch ISBN 978-3-579-01472-9
Mit welchen Massnahmen soll das Ziel «Netto-null bis 2040» erreicht werden?
Die Schwyzer Klimainitiative gibt die politischen Instrumente nicht vor, das wird Sache des ausführenden Gesetzes sein. Infrage kommen z.B. Regelungen für die Klimaverträglichkeit neuer Anlagen und Infrastrukturen, Mengenbegrenzungen oder Anpassungen in Bereichen wie Energiepolitik oder Raumplanung.
Was bedeutet netto-null?
Die Umweltwissenschaften sprechen von «Quellen» und «Senken»: alles, was Treibhausgase ausstösst, ist eine Quelle. Alles, was Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernt, ist eine Senke. Senken, sind z.B. Wälder, deren Biomasse zunimmt, oder Böden, deren Humusanteil steigt. Es ist auch denkbar, CO2 in künstlichen Senken zu entsorgen – beispielsweise in leeren Erdgaslagerstätten. Wenn die Menschheit gleich viel Treibhausgase ausstösst, wie die Senken der Atmosphäre entziehen, liegt der Ausstoss netto bei null. Doch das Potenzial natürlicher Senken ist begrenzt, und künstliche Senken sind in grossem Stil noch nicht erprobt. Es ist fahrlässig, weiterhin auf fossile Energien zu setzen, in der der Hoffnung, das ausgestossene CO2 lasse sich in Zukunft durch irgendwelche Senken wegzaubern.
Wie sieht unsere Welt ohne Treibhausgasemissionen aus?
Zahlreiche wissenschaftliche Szenarien zeigen, wie der Ausstieg aus den fossilen Energien geschafft werden kann (s. Frage «wie erreicht man netto null Emissionen?») – auch wenn niemand weiss, welches Szenario eintreten wird. Es ist keine Frage der technischen Möglichkeiten, sondern des politischen Willens. Es wird nicht leicht werden, den wichtigsten Energieträger aufzugeben und die Landwirtschaft so umzustellen, dass sie – idealerweise – der Atmosphäre CO2 entzieht, statt Treibhausgase zu produzieren. Die Welt wird eine andere sein. Aber es gibt keinen Grund zu befürchten, dass es eine schlechtere Welt sein wird – denn der nötige Wandel bietet Chancen – ökonomische Chancen, Chancen für die Gesellschaft und natürlich für die Umwelt.
Was kostet das?
Eine Berechnung in Bezug auf den Kanton Schwyz können wir nicht liefern. Aber wir kennen die schweizerischen Zahlen, woraus sich die Relation für unseren Kanton ableiten lässt.
In den letzten 20 Jahren gab die Schweiz durchschnittlich über 7 Milliarden Franken pro Jahr für fossile Energie aus. Das Geld fliesst in Länder wie Saudi-Arabien oder Russland. Der Umbau der Wirtschaft hin zu einer klimaverträglichen Wirtschaft wird zwar auch Geld kosten. Aber die Wertschöpfung wird zum grossen Teil in der Schweiz bleiben und schafft hier Arbeitsplätze. Alle Massnahmen gegen den Klimawandel kosten weniger als das, was ein katastrophaler Klimawandel an Leid und Kosten verursacht. Gemäss einer Studie der ZHAW von 2021 (https://digitalcollection.zhaw.ch/bitstream/11475/23240/3/2021_ZHAW_Potential-Erneuerbare-Energien-Energieeffizienz.pdf) ist das Wertschöpfungspotential eines beschleunigten Ausbaus der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz um mehr als 80 Prozent höher als bei einem moderaten Ausbau. Der ETH-Professor und Unternehmer Anton Gunzinger hat ebenfalls ein Energiemodell http://kraftwerk-schweiz.ch/app/main?model0=StatusQuo&model1=NeueEnergiePolitik&model2=Gunzinger
durchgerechnet. Demzufolge kostet eine Energieversorgung, die ohne fossile und atomare Energie auskommt, bis 2050, 1050 Milliarden Franken – wovon zwei Drittel im Inland bleiben. Der Erhalt des Status Quo kostet dagegen 1790 Milliarden, wovon nur 500 Milliarden in der Schweiz blieben. Das Modell Gunzinger böte 200’000 Arbeitsplätze, der Status Quo nur 140’000.
Das heisst ich muss verzichten – meinen Lebensstil ändern – Was bringt mir das? Warum sollte ich?
Die Frage müsste anders gestellt werden: worauf müssen wir verzichten? Und da gibt es ja einiges, worauf die meisten gerne verzichten würden: Lärm, Stau, Stress … Unser heutiger Umgang mit Energie ermöglicht nicht nur Freiheiten – er verursacht auch Zwänge, die sparsames Verhalten erschweren. Es geht nicht darum, Enthaltsamkeit zu erzwingen, sondern darum, ein gutes Leben mit weniger Ressourcenkonsum zu ermöglichen.
Wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung zu begrenzen, werden Hitze, Dürre, veränderte Niederschlagsmuster und Unwetterkatastrophen Lebensstiländerungen in grossem Ausmass erzwingen. Auch Massnahmen zur Begrenzung des Klimawandels werden Lebensstiländerungen mit sich bringen. Doch solche Änderungen können wir planen und darüber befinden, wenn wir jetzt handeln. Es gibt keinen Grund zu befürchten, dass der Lebensstil in einer klimaverträglichen Welt schlechter sein wird als unser heutiger. Im Gegenteil: der 1,5-Grad-Spezialbericht des Uno-Klimarats IPCC vom Oktober 2018 zeigt, dass die Auswirkungen einer ambitionierten Klimapolitik auf die Entwicklungsziele der Uno (Reduktion von Armut, Hunger und so weiter) mehrheitlich positiv sein werden.
Aber Benzin und Erdöl werden teurer! Das ist doch unsozial!
Ja, bevor Heizöl und Benzin im Jahr 2040 ganz vom Markt verschwinden, werden sie sich verteuern. Doch entscheidend für die Konsumentinnen und Konsumenten ist nicht, was ein Liter Öl oder Benzin kostet – sondern wie hoch die Kosten sind, wofür man Öl und Benzin heute braucht: die geheizte Stube oder die persönliche Mobilität. Wenn Energie zwar teurer wird, man aber gleichzeitig mit weniger Energie heizen oder mobil sein kann, spart man am Ende doch Geld. Neue Energietechniken können die alten, auf fossiler Energie beruhenden ersetzen, und die Energie aus erneuerbaren Quellen wird im Vergleich zu Erdöl und Erdgas immer billiger. Zudem kann eine intelligentere Verkehrs- und Raumplanungspolitik dafür sorgen, dass – dank kürzerer Wege – mehr Mobilität mit weniger Verkehr möglich wird. Damit Klimapolitik aber nicht auf dem Buckel der Leute mit kleinem Portemonnaie stattfindet, schreibt Artikel 3 der Schwyzer Klimainitiative die Sozialverträglichkeit vor.